Montag, 5. Oktober 2015

Paris IX

Am letzten Abend in Paris, hatte Catherine Geburtstag und Anna stellte ihr die Blumen hin, die sie bei der freundlichen Händlerin am Vorabend gekauft und schnell in ihr Zimmer vorbei an der Bügelbrett-Theke geschmuggelt hatte. Catherine freute sich sehr und Anna auch, vielleicht auch ein wenig weil Waschbär und Siebenschläfer nichts vom Geburtstag mitbekommen hatten und so fuhr Anna beschwingt in die Schule. Dort war schon eine Feier für Catherine im Gange. Eine japanische Schülerin hatte auf ihrer Querflöte virtuos gespielt und danach hatten alle zusammen „joueuses anniversaire“ geträlltert. Sie aßen gemeinsam eine „Tarte de la reine“, in deren Inneren sich eine kleine Figur befand. Tatsächlich erhielt Catherine dieses Stück mit der Figur und durfte nun die Krone dazu aufsetzten. Es war ein wunderbares, lustiges Fest mit Musik, sogar ein bisschen Tanz. Catherine strahlte.

Am Abend fragte sie Anna, ob sie mit zum Essen gehen wolle, gleich um die Ecke mit Ihrer Tochter und ihrer kleinen Enkelin. Und auch mit Reno, dem älteren Herrn, der Anna an ihrem ersten Tag in der Wohnung begrüßt hatte. Und da Anna sowieso alleine Essen gegangen wäre, willigte sie natürlich ein. Sie unterhielten sich beim Essen ganz wunderbar, die kleine Enkelin krabbelte ein wenig unter den Tischen herum und kämpfte mit dem Freund ihrer Mutter und den den Stäbchen des asiatischen Restaurants. Reno saß neben Anna und schwieg und aß. 

Am nächsten Tag, wollte Catherine Anna zum Flughafen fahren, denn sie müsste sowieso dort in die Richtung. Das war wunderbar, denn ihre Koffer waren doch um einiges schwerer als bei der Ankunft. Sie hatte Geschenke vor allem einige Bücher gekauft. Reno kam mit, er war wohl am Wochenende immer für Catherine im Einsatz. Sie hatte Anna erzählt, wie sehr Reno ihr half die Enkelin hin und her zu fahren und dass er oft auch auf die kleine aufpasste wenn Sie weg musste. Als Anna am Morgen von ihrer Sonnenaufgangstour hoch zu Montmartre und Sacre Coeur wieder in die Wohnung zurück kehrte, war Reno schon am Staubsaugen und sie dachte: „Wie schön so einen Freund zu haben“. Sie packte ihren Koffer und rollte ihn in Richtung Wohnungstür, als Reno aus dem Esszimmer geschossen kam, den Zeigefinger vor seinen Mund haltend und danach in Richtung Catherine zeigend um ihr einen kleinen Zettel zuzustecken. Anna musste grinsen, denn im ersten Moment dachte sie, es handelte sich um eine Überraschung für Catherine, weswegen sie ihn vielleicht anrufen sollte. Denn natürlich war klar, auf dem Zettel konnte nur seine Telefonnummer sein. Sie grinste ihn an. Er ging vor ihr in Richtung Haustür um sie zu öffnen und drehte sich zu ihr um um ihr einige Luftküsse zuzuwerfen, was Anna’s Grinsen, zumindest innerlich, erstarren ließ. Mein Gott, sie hatte es vergessen, sie war in Frankreich. Wie hatte sie vergessen können, dass sie in dem Land war, in dem Männer es versuchen, unabhängig von der möglichen Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. „Mann“ konnte es versuchen. Mehr als nicht erfolgreich sein konnte nicht passieren. Und genauso wie sie sich bei ihrer Ankunft eine Woche davor darüber gefreut hatte, dass Reno, der nette, ältere Herr ihr väterlich fürsorglich einen Fussel von der Schulter entfernt hatte und sie damals dachte sie sei in ein anderes Land gekommen als in das, das sie vor vielen Jahren schwermütig verlassen hatte. So wusste sie nun, als sie von eben dem gleichen älteren Herrn tatsächlich eindeutige Zeichen bekam, dass sie eben gerade in diesem Moment wieder im sosehr vermissten Frankreich angekommen war. Sie lächelte in sich hinein, peinlich berührt darüber, dass sie wirklich gedacht hatte es hätte sich hier vieles geändert und noch peinlicher berührt davon, gedacht zu haben, es läge an ihrem Alter dass sich vieles geändert hatte.

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