Donnerstag, 24. Dezember 2015

Friedhofs-Weihnacht

Weihnachten startete mit dem gemeinsamen Besuch auf dem Friedhof, dem Waldfriedhof. 17 Uhr. Wenn es  dunkel geworden war. Schön dort. Normalerweise friedlich, weil die meisten hier zum Lärmen nicht mehr fähig waren. Friedlich war es hier allerdings nicht an Weihnachten. Die vielen kleinen Weihnachtsbäume auf den Gräbern nahmen dem Wald seine sonst so dunkle Ruhe mit Kerzen und glitzerndem Lametta. Frauen im Nerzmantel oder im bäuerlichen Trachtenmantel, Männer mit Hut und in Loden oder  Lederhose defilierten an den langen Reihen der Gräber entlang um zu sehen, wer anwesend war, und noch genauer, wer es nicht war. „Host gseng, beim Mülla is wieda koana am Grob“. Man grüßte nicht laut, steckte die Köpfe zusammen, gab sich die Hand und flüsterte, raunte sich „a scheens Fest“ zu. Im Schutz des schummrigen Lametta-Lichtes durfte man ein bisschen emotionaler werden und jemanden kurz umarmen oder drücken.

Dann wurde das Geraune still. Die Tür der Friedhofskapelle öffnete sich, auf die Minute genau, um 17 Uhr. Andächtig, ebenfalls in Loden, schritten sie heraus. Das Licht aus der Kappelle begleitete sie wie ein Heiligenschein Ihre golden und silbern glänzenden Instrumente spiegelten sich darin. Die Bläser der Stadtkapelle ohne ihre schlagenden Kollegen, ohne Bums, ohne Marsch. 

Sie genossen die Spannung als sie sich im Halbrund vor der Kapelle aufstellten und andächtig ansetzten zu „es ist ein Roos entsprungen“ bis „Stille Nacht“, die sie langsam, doch fast pausenlos in traditioneller Reihenfolge herunter bliesen. Höchstens eine halbe Stunde dauerte ihr Spiel, denn Essen und Bescherung warteten auf alle zu Hause. Das Pusteblumen-Event war beliebt. Es ging schnell „rum“, weil es einige Familien in der Stadt gab, die „koa Zeit“ hatten, so wie wir. Und vielleicht auch, weil damit das religiöse Pflicht-Zeremoniell abgehakt war. Man konnte sich auf diese Weise die Christmette an Mitternacht in der überfüllten, stickigen Kirche sparen. Hier am Friedhof, bei frischer Voralpenluft war es doch viel angenehmer. Alle waren selig, über wie unter der Erde. Auch Oma, die mir jedes mal die Hand hielt, sie zudrückte und mir, nur mir, ins Ohr raunte „Geh Muckal, wenn I dann herunt lieg, dann bsuachst mi Du da herunt, gei.“

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