Mittwoch, 16. März 2016

Nur noch schnell die Welt retten

Ich sehe eine Dokumentation zum Weltfrauentag über "Powerfrauen". Er zeigt Frauen, die es geschafft haben. Frauen, die der immer noch männlich regierten, dominierten, geleiteten Welt gezeigt haben, dass sie es auch können. Dass sie es sogar oft besser können, mit weiblichem, menschlicherem Führungsstil, mit Empathie und gleichzeitiger Hartnäckigkeit. Sie tun das, was alle bewundern. Stärke zeigen, Intelligenz und Geschick, sich nicht unterkriegen lassen, weiter machen bei Rückschlägen, hart arbeiten, aus Niederlagen lernen, dabei sogar Kinder erziehen die ihnen irgendwann verzeihen dass sie nie da waren, dass sie um Dinge gekämpft haben um die es zu kämpfen galt. Frauen die damit ultra erfolgreich waren und sind. Das zeigt uns dieser Film. Vielleicht zwei Prozent oder noch weniger der Menschen die 50 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen in Schlüsselpositionen wie IWF-Chefin, FED-Chefin, Staats-Präsidentin, Kanzlerin, Firmenchefin. Sie alle sollen uns zeigen: Es geht. Es geht, und ihr Ergebnis ist oftmals besser, als hätte einer der anderen Hälfte der Weltbevölkerung den Posten gehabt. 

Ja, es geht. Doch alleine die Tatsache, dass darüber eine 90-minütige Dokumentation gedreht wird und diese mich und sicher auch andere Menschen sehr beeindruckt zeigt, wie fern wir alle im normalen Leben davon sind. Was hilft es der Kassiererin an der Supermarkt-Kasse, dass es offensichtlich geht, oder mir, einer normal begabten Mutter die ihren Job nie doll fand, ihn nie doll machte auch nie doll darum kämpfen musste? Diese heiligen Beispiele helfen uns eigentlich nichts. Vielleicht eher anders rum: Unser schlechtes Gewissen wird durch sie nicht besser. Hätten wir nur diese Durchsetzungskraft, diese Stärke, diesen Willen, hätten auch wir es schaffen können: Den Job machen, den sonst nur Männer machen, weil man dafür Tag und Nacht verfügbar, motiviert und vor allem kämpferisch sein muss. Den Job, den wir in unserem Leben, auch ohne Kinder nie hätten haben wollen. Denn unser Job, über den so manche von uns vielleicht  froh ist, ihn nur noch Teilzeit machen zu müssen, nach der Geburt der Kinder, endlich auch mal „den halben Tag frei“ zu haben, wie es jeder Mensch ohne Kinder sieht, sogar sich noch nicht reproduzierte Frauen es sehen. Ich habe es damals auch so gesehen. Vor meiner Vermehrung.

Was hilft es uns, dass Frau Lagarde sagt, sie hätte immer ein schlechtes Gewissen gehabt, immer Schuldgefühle gegenüber ihren Kindern, doch diese hätten ihr verziehen, heute mit über 20. Sie hätten ihr heute ihre Schuldgefühle genommen, sagt sie überzeugt in die Kamera. Doch mal ehrlich, was kann man als erwachsenes Kind einer IWF-Chefin, FED-Chefin, Staatspräsidentin oder Ministerin anderes tun als ihr ihre Abwesenheit in der Kindheit öffentlich zu verzeihen, möchte man nicht als kompletter Honk da stehen.

Ich persönlich bewundere diese Frauen, ich beneide sie nicht. Doch helfen können mir Dokumentationen über diese Überfrauen irgendwie nicht. Sie sagen mir indirekt eher, dass meine Kinder, wenn sie groß sind, mir vielleicht nicht verzeihen können werden, dass ich sie oftmals nicht vor 5 Uhr aus Krippe, Kindergarten oder Hort abgeholt habe, mit ihnen lustig in den Zoo gefahren bin, oder ins Schwimmbad gegangen bin. Weil ich nicht die Weltwährung gesteuert habe oder ein Volk regiert habe, sondern vielleicht einfach nur, weil ich einige Stunden am Tag für mich sein musste. Einfach mal den „off-Button“ der unbegrenzten Mutterliebe betätigt halten musste um ihn später wieder einschalten zu können, und nicht ohne danach am Kindergarten gehetzt zu tun, weil ich nicht zugeben konnte, dass ich einfach einige Stunden in der Woche nichts und niemanden hören und sehen möchte - auch nicht meine Kinder. Weil mich permanentes verfügbar sein müssen unglücklich, sogar krank macht.

Wie, frage ich mich, sollen mir meine Kinder das jemals verzeihen können wenn sie erwachsen sind? Das können mir Frau Lagarde, Frau Yellen, Frau Bachelet und Frau von der Leyen nicht erklären, denn sie können mir auch nicht erklären, warum unsere Gesellschaft Mütter die nicht arbeiten als „nur Mutter“ bezeichnet und Kita-Plätze - vor allem in den Köpfen der Deutschen - Frauen vorbehalten sein sollen, die berufstätig sind. Denn Mütter haben kein Recht auf den off-Knopf, den jeder Arbeitnehmer hat, wenn er die Stechuhr auf „abwesend“ setzt. Nein, dieses Recht, das haben wir nicht. Doch das Recht auf Erfolg, das haben wir. Kinder erziehen gilt nicht als erfolgreiches Arbeiten in unserer Gesellschaft. Schade eigentlich. Wer wird noch mal die Rente, von der in Deutschland sogar Teilzeit arbeitenden Mütter nur einen Bruchteil im Vergleich zu Nichtmüttern und Männern bekommen, bezahlen?

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