Donnerstag, 10. Dezember 2015

Kittelschurz

Sie war bekennende Kittelschürz-Trägerin. Der Kittel, der sehr spät in ihrem Leben gegen einen Nicki-Kuschel-Zweiteiler eingetauscht wurde denn das war praktischer beim Windelwechsel als Schurz mit Strumpfhose. Sie hatte ein lautes, krächzendes, fast markerschütterndes Organ. Sie stand gerne auf der Mauer die ihr etwas erhöhtes Grundstück von nächsten trennte. Da die Straße bergauf führte lag die Mauer erhöht. Sie blickte also auf ihre Nachbarn herab. So stand sie oft am Montag, wenn sie wusste dass der fahrende Wursthändler seine Runde schon gedreht haben musste. Sie stand auf der Mauer und kreischte „Mariaaaaa. San’d Würscht scho doooo!“ Ja, und wenn die „die Würscht scho do gwesn warn“, sprich Herr Pfefferbeisser hatte geliefert und zwar nicht nur Wurst, sondern auch Welt bessten Pressack, gekochten Schinken und vieles mehr vom toten Tier, musste Maria im Sau-seschritt von unten heran zur Mauer eilen und ihr die jede Woche gleiche Anzahl „Würscht" liefern. Gerne nahm sie Anteil am Verbleib von Nachbars Hab und Gut. Sie ging dann in ihrem Hof auf und ab, und schrie „Wem khert’n des Radl? Der soi des weg ramma“. Meist war damit eines der Kindern gemeint. Doch auch fremde Radfahrer mussten manchmal dran glauben. Sie unterschied nicht. Am liebsten aber stand sie auf der Mauer und blickte zu den Nachbarn herab, mit den Händen im Rücken verschränkt, in blumiger Kitteschlürz, wie schon erwähnt. Eine Körperhaltung die sie auch an ihren Sohn vererbte, der später, kam man im Nachbarshaus nach Hause, mit dem Auto in den Hof fahrend, ebenfalls auf der Mauer stand - natürlich nicht ohne vorher schon mal, ganz unauffällig den Vorhang in seinem Küchenfenster zur Seite geschoben zu haben und nachzusehen wer die Ruhe störte. Wenn er dann heraustrat, trug auch er wie seine Mutter davor die Hände hinter dem Rücken verschränkt und blickte herab in den unteren Hof. Die einfahrenden Nachbarn spielten manchmal „Erste-Frage-Bingo“ schon vor Einfahrt. Wer gewinnt beim Raten von Nachbars erster Frage bevor er das obligatorische  „Griasdi“ raushaut. Die Rangliste konnte so lauten:

1. Wia lang habts’n braucht?
2. Habts a neis (neues) Auto?
3. Wann fahrt’s n wieda? (oft auch schon auf Platz zwei gewesen)
Ab und zu keimte in den einfahrenden Nachbarksköpfen eine kleine unerhörte Aufmüpfigkeit und man wagte es, ihn zu ignorieren. Dafür wurde jedoch in den Tagen darauf Maria bestraft, denn sie musste nun für diese Fragen umso genauer bei ihrem nächsten Sich-zur-Türe-hinauswagen beantworten. Sie gab immer bereitwillig Auskunft. Frieden mit den Nachbarn geht eben über alles.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen