Dienstag, 18. Juni 2019

Die Welle

Früh am Morgen, die übliche Hektik. Die Kinder ziehen los nach dem Frühstück, mit ihren Dosen und Flaschen, die Ränzen aufgeschnallt, die Sportsachen eingepackt. Zurück im Haus finde ich mich wieder im eben verursachten Küchengemetzel und spüre sie auf mich zurollen, die Welle. Verletzungen als hochgespülte Gischt auf ihrem Kamm. Wieder mal oben. Ich kann sie nicht reiten. Ich möchte sie nicht reiten. Bin froh, dass sie jetzt da ist und ich nicht vor ihr fliehen muss. Ich tauche ein. Tief. Wieder ins Bett wo sie über mir bricht. Der Schmerz, die Wut, die Traurigkeit. Monsterwelle. Wir kennen uns. Sie und ich. Wir ergänzen uns. Wir lieben uns.

Ich würde gerne weiter in ihr tauchen, doch ein Termin ruft. Ich paddle ans Ufer, dusche kalt. Draußen ist es heiß. Eine schlabberige Short, ein T-Shirt von gestern. Der Termin ist keiner bei dem ich aussehen muss. Schwinge mich aufs Rad. Rechts vom Haus schneidet ein Mann die Hecke. Er scheint seine Latzhose zu sprengen. Oben wie unten. Pralle, voll tätowierte Arme schwingen die Heckenschere. Sein Vollbart blitzt. Cartoon pur. Ein Foto von ihm wäre ihm sicher nicht recht. Ich knipse mit meiner Hirnkamera. Am Eck, die Spargelfrau. Sie klappt gerade ihren Stand auf und ruft fröhlich „guten Morgen“. Zurückgrüßend trete ich in meine Pedale, in mein Leben zurück. Wieder aufgetaucht. Wieder an Land.

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